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Bayerns Mitte - der Landkreis Kehlheim Zur Person: Angerer der Ältere, Maler in Biburg |
Von Kurt Hofner
Die unendliche Geschichte der Phantasie ist ein unerschöpfliches Geheimnis. Es anzuruhren, um sich anrühren zu lassen, nicht um es aufzudecken, erhebt über weite Vergangenheiten und ferne Zukünfte, über den Betrieb der Gegenwart, über Kulturen und Völker, über Realitäten und Gewohntes und Gewöhnliches. Helle Sehnsüchte und traumdunkle Bilder sind nicht einzusperren in ein Leben, in einen Kulturkreis, in die Schubladen des Kulturbetriebs, Michael Ende war so einer - und Ludwig V. Angerer, Angerer der Ältere, wie er sich nennt, der für seinen Freund das Grabmal auf dem Münchner Waldfriedhof gemacht hat. Der eine Idee Endes, ein Zentrum der phantastischen Künste zu schaffen, weiterbetreibt, zusammen mit Ernst Fuchs und vielen anderen, die "im Bereich der Phantasie tätig sind und Austausch suchen". Wer Angerer in seinem schönen alten Haus mitten in Biburg, einen Steinwurf weit weg von Kloster und Kirche, besucht, lernt das Staunen uber Einfaches, das rätselhaft und Rätselhaftes, das einfach erscheint. Etwas von der Leichtigkeit des Seins, aber auch von der Getriebenheit durch die Bilder, die zum Ausdruck drängen, hat den gebürtigen Bad Reichenhaller (Jahrgang 1938) wohl zeitlebens begleitet. Er studierte Architektur, dann an der Akademie der Bildenden Kunste bei Ruf, arbeitete einige Jahre bei Alexander von Branca. Wettbewerbe hat er gewonnen, Preise bekommen, dennoch: die Architektur heute ist ihm "eine öde langweilige Geschichte". Angerer: "Ich war am Scheideweg. Keine Lobby, kein Kunstverein, keine Partei, keine Gschaftlhuberei -und gemalt hab' ich immer." Angerer wandte sich der Kunst zu, wurde Maler, Bildhauer, schrieb über Kunst. Ausstellungen im In- und Ausland, Kunstbände erschienen, so "Phantastik der Sehnsucht", ein Band über Gustav Rene Hocke ("das war für mich ein Ganz Großer"). Angerer arbeitete und arbeitet viel, schnell ("da sind Renaissance- und Barockkünstler mein Vorbild") und konzentriert. Malend, schreibend ("über die Jahre habe ich mir immer Notizen gemacht darüber, was mir an der sog. Moderne so zuwider ist") lernt er Menschen kennen, mit denen ihn verwandte Sehnsüchte verbinden ("ich glaube nicht, daß dieses Netzwerk von Menschen zufällig ist"). Mit Michael Ende arbeitete er als Produktionsdesigner des Films "Die unendliche Geschichte" - und erhielt den Bayerischen Filmpreis. In Fortführung des Bilderzyklus "Deutsche Trennung und Einheit" entstand ein gleichnamiger Videofilm, zusammen mit seinem Sohn Christian Angerer. Weitere Videofilme: "Momo in der phantastischen Welt des Meister Hora" und "Phantastik der Sehnsucht". Für den Spielfilm "Krabat" nach Ottfried Preußler erstellte er Entwürfe, für die Tolkien-Uraufführung in Hamburg "Der kleine Hobbit" machte er Bühnenbild und Kostüme und entwarf die sog. creatures, Phantasiegestalten, so recht nach dem Geschmack eines Mannes, der Märchen, Fantasy, zeitweilig auch Science-fiction liebt wie sonst wohl nur ein Kind. Oder? So pessimistisch sieht er das gar nicht. "Da ist etwas im Kommen, etwas Leiseres, etwas Suchendes, etwas Sehnsüchtiges, etwas Phantasie Freisetzendes, etwas Ernsthafteres." "Zeitfreie Kunst" ist es, die er meint, Kunst, die die Menschen wirklich erreicht; Kunst auch, die in der langen Tradition des Manierismus Zeitgeist überwindet und weiter weist, auf Schönheit verweist. Probleme, vehement und konfliktfreudig empfunden und ausgetragen, hat er mit der Moderne. Mit "Kulturpause", einer Streitschrift wider den Zeitgeist, hat er die Schafe von den Böcken, die Freunde von den Gegnern geschieden. Da wird ihm der Hang zur Abstraktion zum Sinnbild der Auflösung, da wird ihm die schnelle Abfolge von Stilen und "-ismen" zum Kürzel für hektisch Skizziertes und flott Floskelhaftes." Wahre Kunst ist unabkürzbar." Wie Tafelbilder früher gemacht wurden, ausgereift und ausgearbeitet und ihr Werkstattgeheimnis nicht preisgebend, so und so allein versteht er Kunst, "die erst einmal schön sein muß", die Gefühle anspricht, die mehr als zweidimensional ist. Malen ist ihm denn auch folgerichtig der ständige Versuch, Bilder aus dem Unbewußten herüberzuretten in die Welt. Das Geheimnis ansprechen, aber es nicht zu deuten versuchen, das ist es. Das will er nicht als plattes Votum für oberflächliche Harmonie verstanden wissen. Die Häßlichkeit, das Entsetzen in Traumvisionen unterliegen demselben Gesetz der Schönheit, das Thema ist keine Entschuldigung für grelle Trivialität. Ob Grünewald oder Bosch oder heutige Phantasten oder Manieristen oder Surrealisten ("der Begriff ist nicht wichtig"), Kunst ist, was aus banaler Abschilderung von Wirklichkeit herausführt. "Die Schönheit im Grauen zu entdekken, dafür fehlen uns derzeit wohl einige kulturelle Voraussetzungen." Sie fehlen, wie er heftig beklagt, vor allem den Medien." Wir erfahren eine zeitbedingte Zurücksetzung, eine Zensur des Verschweigens gibt meiner, unserer Kunstauffassung derzeit kaum eine Chance." Das zu konstatieren, kann Gegenstand einer Streitschrift sein, ist aber zu keinem Zeitpunkt Anlaß für Zweifel. Zu sicher fühlt er sich in eine Kunstgeschichte eingebunden, die größer und umfassender und zeitloser und gültiger ist als das Kräuseln eines momentanen Zeitgeistes, die größer ist auch als sein momentaner Ärger über diesen Zeitgeist. "Wir werden überdauern ..." weitere Artikel:
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