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Der Mann, der Träume wirklich werden lässt Die "unendliche Geschichte" hat ihn berühmt gemacht: Der Maler, Bildhauer, Filmemacher und Kulturkritiker Ludwig Angerer der Ältere im PNP-Gespräch |
Die Fantasie hat ihn berühmt gemacht, seine Träume verkauft er als Bilder,
dem Abendland sagt er den allmählichen Untergang voraus: Ludwig Angerer der
Ältere, 62, Maler, Filmemacher, Bildhauer, Schriftsteller und Kulturkritiker in
einem.
Eigentlich ist er Architekt, hat jahrelang mit Alexander von Branca zusammengearbeitet und dessen kreative Ideen baulich umgesetzt. Heute hat er sich aus diesem Beruf zurückgezogen: "Ich kann mit der jetzigen Architektur nichts anfangen. Sie ist mir zu nüchtern und einfallslos. Visionäre Einzigartigkeit ist dem Architekten von heute nicht mehr möglich", bedauert der Künstler. Also hat Ludwig Angerer sein eigenes Genre entwickelt: keine Lobby, keine Partei, kein Kunstverein, sondern ein Zentrum der fantastischen Künste. Wer Angerer in seinem romantisch renovierten alten Haus in Biburg, Landkreis Kelheim, besucht, taucht ein in die konzentrierte Fantasie, in die Welt des Traumes, fällt zurück in eine kindlich-ur-gemütliche Unbeschwertheit. Schon am Eingang begrüßt ein lebensgroßes Einhorn den Gast, im Flur startet Ikarus einen Flugversuch, eine visionäre Silberstadt ersteht vor den Augen des Betrachters, im ersten Stock wohnen Elfen und im Atelier steigt Phoenix aus der Asche. Ludwig Angerer setzt Träume in die Realität um, transportiert die Fantasie des Schlafes in die Welt des Bewusstseins: "Ich wache nachts auf und bringe das, was ich gerade im Traum gesehen und erlebt habe, zu Papier. Manchmal sind das nur ein paar Notizen, an die er sich am nächsten Morgen schon nicht mehr erinnert, aber oftmals entsteht aus detaillierten Aufzeichnungen sofort ein fertiges Bild. Seine Träume haben Ludwig Angerer berühmt gemacht: Zum Beispiel entstammt die fantastische Film-Ausstattung des Kassenschlagers "Die unendliche Geschichte" (1985) seinerGedankenwelt. Den Weg dafür hat ihm sein Freund Michael Ende bereitet. Der Autor sah in Angerer den idealen Mann für das Produktionsdesign seines Fantasie-Kinofilmes. Selbst über dessen Tod hinaus bleibt Ludwig Angerer Michael Ende eng verbunden: "lch habe sein Grabmal am Münchner Waldfriedhof gestaltet. Das war sein Wunsch. Übrigens spielt es keine Rolle, dass er tot ist. In meinen Gedanken lebt erweiter." Neben der Ausstattung der "Unendlichen Geschichte", für die Angerer mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, machte der Künstler noch mit weiteren namhaften Produktionen auf sich aufmerksam: Der Spielfilm "Krabat" nach Otfried Preußler entstand nach seinen Entwürfen, für die Hamburger Tolkien-Aufführung "Der kleine Hobbit" gestaltete er das Bühnenbild und die Kostüme, entwarf sogar die Fantasiegestalten. Und für die Videofilme "Momo in der fantastischen Welt des Meister Hora" sowie "Fantastik der Sehnsucht" zeichnet Ludwig Angerer ebenfalls verantwortlich. Derzeit arbeitet er an einem sakralen Gesamtkunstwerk - getreu seinen Vorbil, dem aus der Renaissance, Leonardo und Michelangelo. Denn: "Die Gesamtheit macht Kunst aus. Nicht das Aneinanderreihen bruchstückhafter Elementarteile." Unmittelbar vor seinem Haus in Biburg, auf dem Platz, wo einst ein Feuerwehrschuppen stand, bastelt Angerer an seiner Erlöserkapelle, einem Konglomerat aus Malerei, Bildhauerei und Architektur. Ein wahrhaft christliches Kleinod, das Bischof Manfred Müller aus Regensburg am 30. August feierlich einweiht: In einer schrägen Kuppel aus Buntglas steht der "Baum des Lebens". Sein Stamm ist zugleich das Kleuz Christi, die Wurzeln sind fest im Boden verankert. Die Kreuzigungsgruppe und weitere Figuren, die sich in Richtung Licht drängen, hat Angerer aus einem Gemisch aus Carraramarmorstaub und Kunstharz modelliert. Das elegante Spiel mit Glas, Schatten und verstecktem Rotlicht macht den besonderen Reiz des Innenraums aus. Ludwig Angerer: "Die Kapelle sollte etwas Einzigartiges werden. Aber doch nicht so verrückt, dass keiner sich damit identifizieren kann." Wichtig war dem Künstler, ein christliches Gebäude zu gestalten, zu dem die Menschen hinpilgern und das sie als Ort des Seelenfriedens akzeptieren. Will Angerer sich mit dem Bau der Kapelle vielleicht seine Absolution erkaufen ? "Das haben mich schon viele gefragt", schmunzelt der Künstler und zwinkert lustig mit den Augen, "aber ich habe kein schlechtes Gewissen." Dafür aber ein schlechtes Gefühl, wenn er an die derzeitige Situation unserer abendländischen Kultur denkt. Die Genialität weiche mehr und mehr der Mittelmäßigkeit. Unter anderem hat Angerer seinen Unmut darüber in der "Kulturpause", seiner Streitschrift wider den Zeitgeist, kundgetan. "Ich weiß nicht, welche Marschrichtung die Menschheit noch einschlägt. Irgendwann kommt der Weltuntergang. Aber dann ist er nicht laut; die Menschheit wird sich auf leisem Weg verabschieden." Bis es soweit ist, will Ludwig Angerer sich weiter seiner Art von Kunst widmen. Seiner Gesamtkunst. Als Maler, als Bildhauer, als Schriftsteller, als Kulturkritiker. Er arbeitet viel und enorm schnell. Für sich und die Nachwelt. Zum Beispiel für seinen kleinen Enkel Luca. Was gibt Ludwig Angerer ihm mit auf den Weg? "Luca muss lernen, immer er selbst zu bleiben. Das ist der wichtigste Wert, den man einem Menschen vermitteln kann." Alexandra Kolbeck weitere Artikel:
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