Spielwerk
Abgründig schön

eine Rezension der "Schnuffigkeiten" von Jana Ritter,
freie Künstlerin und Kulturwissenschaftlerin


 


Gabriel Bur
Malerei
OFF-Galerie in der alten AEG- Fabrik
Drontheimer Straße 36 A, 4. OG
13359 Berlin

25. Oktober bis 22. November 2007,


Im Wechsellicht von Oktober und November durch den Berliner Norden streifen... Licht wie Schatten verändern sich rasch; verursachen launische Wechsel ? wohl niemals so sehr wie in den Monaten am Ende des Jahres. Entree in die Ausstellungs-Halle der alten Fabrik, 4 Etagen hoch...

Der 1970 in Saarbrücken geborene, seit 1992 in Berlin lebende freie Künstler Gabriel Bur (Bilder, Objekte, Assemblagen) entwickelt seine visuellen Ideen aus einer sehr individuell erarbeiteten Plastizität des jeweiligen Materials. Auch in der Wort- und Titelgebung finden wir diese bewegliche Denk- und Ausdrucksart wieder.

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher : Was, bitte, verstehen S i e unter "Schnuffigkeiten"?

Die Galerie in der alten AEG-Fabrik Drontheimer Straße zeigt einen schmalen Ausschnitt des Oeuvres von Gabriel Bur. Bilder - darin verschiedene Sujets: Teddybären, Puppen, Landschaften, Tableaus. Ursächlichstes Thema : Spielzeug. Leitmotiv : "Schnuffigkeiten". Zum Betrachter, ins Bild. Hier mag ich es "Spielwerk" nennen.. Gabriel Bur kombiniert, führt seine Figuren, spielerisch, läßt (unsere Wahrnehmung) spielen, - ATTENTION. Nur vordergründig. Seine verwendeten Farben, Materialien, Formen eignen eine neue Gestaltung, schaffen eigene Dimensionen im Bild. Der traditionelle Bildraum bekommt eine Tiefe, die sich nicht allein aus bizarr - doch vertrauten, Farben, Materialien ("Teddy-Bear") oder "üblicher" Hintergrundgestaltung erklären läßt. Gebe ich dem kunstgeschichtlich katalogisierten "Surrealismus" neue Nahrung, suche ich in den visualisierten Motiven, ihrer Zusammenfügung, so unterwandert (mich) das Bild. Der Surrealismus eines Gabriel Bur kommt gelassener einher. In den gefalteten Händen, Knopfaugen, Sitzhaltungen, Blicken; weich, pastös.... Spielwerk zum Innehalten. Gewohntes in neuem Kontext. Bleibt die Erlösung im Halse stecken.

Scheinbar profane Bildobjekte- im Vordergrund "schnuffig", gegenständlich, fast illustrativ, ein "klassischer" Mittelgrund kann entfallen, um die Farbperspektiven des Hintergrundes hervortreten zu lassen - Schatten - Schlagschatten, Kernschatten - in einer dokumentarisch genauen Momentaufnahme. Da sitzen sie nun...

Seit 2005 erarbeitet sich Gabriel Bur im Schaffens-, Unterrichtkontakt mit Anna Adam (freie Künstlerin) "neue Kombinationen der Wahrnehmung" (Eigenzitat). Wie
souverän er dabei auch verschiedene Arbeits- d.h., Maltechniken, kombiniert, z.B. Airbrush- mit Mischtechniken, Pastell u.a., zeigt eine Experimentierfreude, die - vorab - aus dem Material formt, entstehen läßt, mitgehen läßt, verstört - konzeptionelles Erschaffen im ursprünglichen Sinn.

In der Ausstellung erwarten auch kleinere Landschaftsbilder in der Manier eines Magritte oder Dali - beeindruckende Blautöne im Hintergrund von Dunkel bis Gleißend, Hell - solcherart Ängste (aus-) lösend, Stilleben von Spielzeug in Großformat; langsam, bedrohlich näher der Moment des Anblicks.

Mich interessierte die Reaktion von Kindern verschiedenen Alters. Sicher würde ich sie fragen, ob meine Wahrnehmung des Abgründig- Schönen realer ist als ihre ursprüngliche Neugier auf das "da hinter dem Bild" .....

Oberflächlich betrachtet, doch nur (wie) Kinderbuchillustration, deren Gründe wir lieber nicht wahrnehmen mögen?

Sicher nur : das Thema dieser Ausstellung, dieser Konzeptkunst in den Bildern von Gabriel Bur sucht und er- findet Materialien/ Themen selbständig wieder. Auch Zwischenräume, Untiefe, warme "kuschelige" Farben, Devotionalien des (materiellen) Überflusses, das "Zuschütten" der Kids mit Spielsachen, Möglichkeiten /Ideen beim Spiel...

Ein, zugegeben, "anerzogenes", "erwachsenes" Gefühl bleibt ungefähr. Empfinden Kinder die Wärme? Die heitere Abgründigkeit?

Konstruktion und Dekonstruktion beim Sehen, Wahrnehmen, Hören, Fühlen. Präzis darauf
bezogene Fragen und Themenbereiche bei Gabriel Bur. Nachvollziehbar, unbehaglich.

Ich bin gespannt auf weitere Eindrücke bei folgenden Besuchen, sei es virtuell (website : www.gabrielbur.de/kunst), Begegnungen mit den Assemblagen (im Atelier?), der wachsende Ausdruck dessen, "was ich im Umgang miteinander vermisse" (Selbstzitat G. Bur).

"Schnuffigkeiten" lassen einiges zu. Sehen, um unerlöst zu bleiben.
Mag es so sein. Vielleicht wagen andere, einmal Korrespondenzen eigener Art in Auseinandersetzung mit der Tiefe des Augenblicks.

Mögen Gabriel Bur viele dieser Momente beschieden sein.


Jana Ritter, Kunstwissenschaftlerin, freie Künstlerin, Berlin
November 2007