Über die brotlose Kunst        
Glosse von Roman Romanow        
Die Frau und der Mann hatten den Koffer und Kopf voll moderner Bilder. Sie stellten sich mitten ins Dorf um ihre Kunst zu verkaufen, weil sie Hunger hatten. "Das kann doch jeder", sagten die Leute, und fragten: "Könntet ihr nicht richtig malen? Unsere Kuh vielleicht?" Die Frau malte schwarz-weiß und Haar für Haar eine Kuh, der Mann die dazugehörige Milch. Doch die Leute nörgelten. "Das ist nicht unsere Erna", sagten sie. "So dürr ist unsere Erna nicht". Die Frau malte jetzt eine fette Kuh und der Mann paßte die Milch an. "So fett ist unsere Milch nicht", riefen die Leute, "so fette Milch trinkt heute keiner mehr". Die beiden Künstler gingen in Klausur und malten eine Kuh mit sehr viel Magermilch. "Soviel Milch gibt unsere Erna nicht, da reden die Leute doch, wir würden Wasser in die Milch schütten", sagten sie. Geduldig malte das Ehepaar immer wieder neue Kühe, aber keine war wie Erna. "Wir könnten Erna vielleicht auf ihrer Weide besuchen und abzeichnen", schlug der Mann vor und seine Frau fügte an, dass Erna dann genau wie Erna aussehen müßte. "Erna ist nicht auf unserer Weide", sagten die Auftraggeber, "Erna ist schon seit 23 Jahren tot". Resigniert gaben die Frau und der Mann den Auftrag zurück und setzten sich auf den Stoß Kuhbilder, der bereits sehr groß geworden war. Seither tuschelten die Leute im Dorf. "Und Geld haben die auch keines", sagen sie. © 2002 by Roman Romanow
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