Gedanken über Kunst und Leben        
zu mir kommen - bei mir sein - bei mir bleiben        

Was sagt eine Vita über einen Künstler?

In meinen Augen nicht viel, denn jeder Mensch, der sich der Kunst
öffnet und verpflichtet, stellt sich damit auch an den Rand unserer
modernen, leistungsorientierten Gesellschaft. Im Sinne von "ein
wahrhaft moralischer Mensch kann nicht gesellschaftsfähig sein".


Bei Verfassen der Vita aber, wird der Boden unter ihm wieder schwammig,
fühlt er seine Füße magnetisch gezogen vom Establishment, das da mit
erhobenem Zeigefinger fragt: Wer bist Du? Was kannst Du? Wer gibt Dir
das Recht? Was hast Du geleistet im Lichte unserer Öffentlichkeit?
Haben wir Dich schon legitimiert, selbst zu denken, selbst zu fragen,
selbst zu sein?

Ich versuche konsequent zu sein. In meiner Kunst, in meinem Leben.
Ich diene der Quelle, die uns alle speist und über alle Zeiten und
Gesellschaften erhaben ist. Das ist nicht leicht, war nie leicht und
betrifft und betraf sehr viele Kunstschaffende aller Epochen, ist also
eigentlich nichts Besonderes, nichts völlig subjektiv Egozentrisches.
In diesem Sinne bin ich naiv im bestmöglichen Wortsinne.
Ich bin Dilettant, denn ich genieße, was ich tue.
Und Amateur, denn ich liebe es von ganzem Herzen.
Ich mache Kunst, weil es für mich keine Alternative gibt, dieses re-ligio, diese Philosophie aktiv zu leben.
Ich bin Werkzeug, nicht Schöpfer.

Das Gesagte bedingt naturgemäß Konfliktherde mit dem, was man
Gesellschaft nennt. Ja, auch mit dem Kunstbetrieb, verständlicherweise.

Stichwort Galerien und Kunstkritik:
Ich glaube daran, dass es Galeristen gibt, die vom Wesen her keine
"Zuhälterei" betreiben - getroffen habe ich sie noch nicht. Sollte sich
aber jemand angesprochen fühlen, bitte ich herzlichst um baldige
Kontaktaufnahme.
Ich glaube ferner daran, dass es Kunstkritiker gibt, die nicht nur
deshalb die Moderne bevorzugen, weil sie so viel Raum für
Interpretationen läßt und damit Platz für die eigene Selbstdarstellung,
die eigene Profilneurose. Eine Einstellung, die Realismus und
Naturalismus ob ihrer "Allgemeinverständlichkeit" ablehnen muß.
Als gelernte Redakteurin und im Zuge dessen auch Kommentatorin von
Kunstausstellungen, weiß ich, wovon ich spreche. Ich kenne beide
Seiten: die des Sektglas- und Notizblockbewaffneten Schreiberlings und
die des aus- (ja, vielfach bloß-)gestellten Künstlers zur Vernissage.
Sowohl die eine als auch die andere Seite der "Kunst im
öffentlichen-gesellschaftlichen Raum" hat ihre Chancen, aber auch
Herausforderungen und Fallstricke in puncto Menschenwürde.

Stichwort Kunst und Markt:
Eine Welt, in der Dinge einen Preis haben, ist mir (als bewußt naivem
Menschen) suspekt. Um das eben gesagte zu spezifizieren: Dinge, die man
liebt, beispielsweise Tiere und auch Kunst als Originale (selbstredend
auch alle lebenserhaltenden Güter wie Brot, Salz, Wasser, saubere
Luft). Eine Gesellschaft (insbesondere die gut situierten
Industrienationen)müßte in der Lage sein, ihre Ressourcen ethisch so zu
verwalten, dass der Austausch dieser "Güter" ausserhalb
marktwirtschaftlicher Strukturen stattfinden kann. Jedes Tier, jedes
Bild, also jedes Original ist für jemanden bestimmt - für den, der er
es von Herzen liebt. Er sollte es bekommen. Haben, also besitzen, wird
er es ohnehin nie. Aber mit ihm leben, mit ihm sein und dadurch sein
eigenes Sein und das des anderen bestmöglich entfalten und mehren.
Kurz: vom Haben zum Sein als gelebte Philosophie und tätige Liebe.

Bei allem Idealismus - auch ich bin Mensch, brauche Wohnung und Brot,
verkaufe meine Bilder, meine Bücher, lass mich für Lesungen entlohnen.
Setze sogar mein copyright auf meine Werke, deren Schöpfer nicht ich,
sondern nur Werkzeug bin. Aber ich tue es im Bewußtsein des
Widerspruchs, bemerke mein Irren im Tun und erfahre dadurch täglich die
Diskrepanz zwischen Wesentlichem und sog. Realität. Und dieser
Widerspruch fordert mich, fördert mich und weist mir den Weg, meinen
Weg.
Ich erlaube mir, Idealist zu sein.
Ich habe mich dafür entschieden, Künstler zu sein - in guten wie in schlechten Tagen.
Ich nehme mir die Freiheit, ich selbst zu sein und zu werden.
Nicht mehr und nicht weniger.

Denn - um den Bogen schlußendlich zu spannen - wenn ich heile, heilt ein Teil der Gesellschaft...



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