Ordnung der Handschrift       
Fortsetzung der Kritik von Dr. Kurt Jauslin in den Erlanger Nachrichten vom 02.07.2003 zu der Ausstellung Schein-Zeichnungen       
SCHNELLE UND LANGSAME BILDER Schein verlässt sich zurecht auf die Energie, die seine Hand auf das Papier überträgt. Wenn die Hand innehält, bricht nicht die Ordnung zusammen, sondern sie bleibt in ihrer Mehrdeutigkeit im Stillstand des Bildes erhalten. Allerdings spielt die Zeit dabei tatsächlich eine entscheidende Rolle. Unterschieden wird nicht zwischen gegenständlichen und abstrakten, sondern zwischen schnellen und langsamen Bildern. In den schnellen Bildern legt die Zeichnung die im Gerüst der Linien enthaltenen Ordnungen frei, und das sind häufig die Assoziationen auf das Gegenständliche, das immer als Übergangsmotiv auftaucht, wenn z. B. aus dem Astwerk ein Gesicht entsteht. Seit der Renaissance nennt man das Anamorphosen. In den langsamen Bildern verschwindet die Ordnung in der immer kleinteiliger werdenden Handschrift, die schließlich das ganze Format ausfüllt. Sie entwickeln aus den Zeichen der Handschrift den Vorschein einer räumlichen Ordnung, die in der Differenz von Nahsicht und Fernsicht gegenwärtig ist. Selbstverständlich gehen beide formale Prinzipien ständig ineinander über. Ziel ist nicht die Eingrenzung auf eine Doktrin, sondern die Grenzüberschreitung, die aus der unendlichen Bewegung der Handschrift entsteht. KURT JAUSLIN
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